Nachruf für Frau Dr. Erika Haindl

Man sieht die Blumen welken
und die Blätter fallen,
aber man sieht auch Früchte reifen
und neue Knospen keimen.
Das Leben gehört den Lebendigen an,
und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.

(Johann Wolfgang Goethe, 1749 – 1832)

 

Eine große Hofheimer Bürgerin und Frauenrechtlerin, Frau Dr. Erika Haindl ist am 28.4.2019 in die andere Welt gegangen. Auch für uns beginnt damit eine Zeit der Veränderung, eine Zeit, in der wir uns Ihrer gerne erinnern und auch an ihr Wirken und Handeln erinnern, die nicht nur für ihre Familie und ihr nahestehenden Menschen, sondern auch für Hofheimer*innen und für viele Menschen darüber hinaus von so großer Bedeutung sind.

Dr. Erika Haindl war Kulturanthropologin, langjährige Stadtverordnete in Hofheim, sie gründete u.a. in den 70er Jahren gemeinsam mit ihrem 2013 verstorbenen Ehemann Hermann Haindl, dem Bühnenmaler und Künstler,einen Altstadtverein zur Erhaltung der Hofheimer Altstadt, initiierte den Kunstverein und das Stadtmuseum und gründete 1987 das Zentrum für altes und neues Wissen und Handeln e.V..

Wir wußten, dass Erika seit längerer Zeit krank war und waren trotzdem tief getroffen, als am Nachmittag des 27.4., Erikas 88. Geburtstag das für den Abend geplante Hexengedenken des Zentrums für altes und neues Wissen und Handeln e.V. abgesagt wurde, weil es so schlecht um Erika stehe. Auf Erika Haindls Initiative hin wurde 2010 das Ziel der Rehabilitierung der Opfer der Hexenverfolgung durch das „Kurfürstliche Amt Höchst-Hofheim“ erreicht. Wie seit vielen Jahren waren wir Mitveranstalterinnen der jährlichen Gedenkfeier unter dem Stichwort „Heilung braucht Erinnerung“ am Hexenturm vor dem von Erika in 2001 gestifteten Relief und der anschließenden Veranstaltung im Stadtmuseum. Die Gedenkfeier findet statt, um an das Leiden der als Hexen verfolgten Frauen der frühen Neuzeit zu erinnern, aber auch als Mahnmal und Gedenken an die Opfer von Gewalt, Verfolgung und Folter in der heutigen Zeit. Das Ziel des Gedenkens ist es, den Opfern von Gewalt ihre Würde zurück zu geben, und uns alle für das Thema Gewalt zu sensibilisieren und zu ermutigen, uns einzumischen und daran mitzuwirken, dass das Miteinander leben in unserer Gesellschaft mit weniger Gewalt stattfinden kann.

Noch am 15.3. dieses Jahres besuchte uns Erika in unserer Beratungs- und Interventionsstelle anläßlich einer Ausstellungseröffnung zu unserem Tag der offenen Tür während der Frauenwoche des Main-Taunus-Kreises. Ihre Begleiterin sagte, dass es für Erika eine Herzensangelegenheit gewesen sei, zu uns zu kommen.

Unser Thema, die Arbeit gegen Gewalt an Frauen und ihren Kindern war Erika und zuvor Erika und Hermann seit mehr als 20 Jahren von besonderer Wichtigkeit. Ihre uneingeschränkte Unterstützung und Solidarität unserer Arbeit gegenüber, sich für die Rechte der Frauen und für Gleichberechtigung einzusetzen und der Ungerechtigkeit entgegen zu wirken, war für uns immer eine Kraftquelle und Antrieb, unsere Unterstützungsarbeit für Frauen fortzusetzen und hierzu in der Öffentlichkeit sichtbar zu sein. Erika fühlte sich immer tief verbunden mit unseren Ideen - „Ihr seid mein Bezug in die Gegenwart mit dem, was mir wichtig ist.“ 

Immer wieder gerne erinnern wir uns an das Jahr 1997 zurück, in dem uns Erika und Hermann völlig selbstlos und mit großer Warmherzigkeit und Gastfreundschaft ihre Wohnräume und die Scheune in der Bärengasse in Hofheim zur Verfügung stellten, damit wir einen Kunstmarkt veranstalten konnten. Der Erlös stellte seinerzeit den Grundstock für die Anschaffung von vier neuen Küchenzeilen für das Frauenhaus dar.

Als wir 2016 mit der Beratungs- und Interventionsstelle in größere Räume zogen, schenkte Erika uns zur Einweihung ein wunderschönes Gemälde, das ihr Ehemann gemalt hatte. Es ist in unserem Empfangsbereich platziert, so dass die Energie von Erika und Hermann für uns Tag für Tag spürbar ist.

Unser tiefes Mitgefühl gilt in dieser Zeit den Angehörigen und den vielen lieben Menschen des Zentrums, die mit Erika über viele Jahre tief verbunden sind.

Erika wird uns in unserer Mitte fehlen und trotzdem durch die vielen wahrhaftigen Begegnungen, in der wir sie erleben durften, unter uns sein.

 

Petra Gokkenbach, im Mai 2019