Der Ausbruch der Pandemie stellte auch unseren Verein unvermittelt vor neue Herausforderungen. Seit Mitte März waren in der Beratungs- und Interventionsstelle zunächst keine persönlichen Beratungen mehr möglich. Wir konnten von Gewalt betroffenen Frauen telefonische Beratungen oder Beratungen per Mail anbieten, auch die Bewohnerinnen des Frauenhauses wurden nach Möglichkeit telefonisch versorgt. Wir erweiterten unsere telefonische Erreichbarkeit in der Beratungs- und Interventionsstelle und gerieten dabei mit zwei Telefonleitungen stellenweise an unsere Grenzen. Auch waren Beratungen per Videokonferenz aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zu realisieren, daran arbeiten wir derzeit noch.
Durch Auszüge von Langzeitbewohnerinnen aus dem Frauenhaus hatten wir zu Beginn der Corona-Pandemie noch Aufnahmekapazitäten im Frauenhaus. Wir entschieden zunächst nur Frauen aus dem Main-Taunus-Kreis aufzunehmen.
Für beide Einrichtungen haben wir jeweils Pandemiepläne erarbeitet und stetig weiterentwickelt. Wir informierten unsere Kooperationspartner*innen und vor allem die Polizeidienststellen schriftlich über unsere Erreichbarkeit und unser Angebot.
Für Klientinnen der Beratungs- und Interventionsstelle und für Bewohnerinnen des Frauenhauses stellten wir thematisch unterschiedliche Wegweiser und Handlungsleitfäden zusammen (Informationen zu Anträgen nach dem Gewaltschutzgesetz, Erreichbarkeit der Rechtsantragsstellen/Familiengerichte, Informationen zur Existenzsicherung, etc.).
Priorität in der Beratungs- und Interventionsstelle hat derzeit die Versorgung von akut gefährdeten und von häuslicher Gewalt betroffener Frauen. In den vergangenen Wochen wurde es für uns zu einer Herausforderung, hochgefährdete Frauen ohne die Möglichkeit von persönlichen Beratungsterminen verlässlich mit allen Informationen zu versorgen, um ihren Schutz und den ihrer Kinder auch in dieser Krisenzeit bestmöglich zu sichern. Gerade nach Anzeigen oder Polizeieinsätzen ist es für den weiteren Verlauf von Bedeutung, dass wir den Frauen zeitnahe Termine anbieten, die sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen als der übliche Rahmen von einer Zeitstunde pro Woche. Diese Termine haben wir in den vergangenen Wochen telefonisch oder per Mail-Kontakt abgedeckt. Insbesondere bei Hochrisikofällen sind wir uns über die Relevanz unserer Arbeit in der Interventionsstelle sehr bewusst. Wir hielten mit vielen Klientinnen über mehrere Wochen verbindlich Kontakt, um sie dauerhaft in der gefährlichen und kritischen Phase zu begleiten und zu unterstützen. Dazu gehörten auch Telefonate am Wochenende oder in den Abendstunden.
Wir berieten die von Gewalt betroffenen Frauen zum Gewaltschutzgesetz, klärten die ärztliche Versorgung im Verletzungsfalle ab, vermittelten bei Bedarf Termine mit Rechtsanwältinnen, führten Telefonate mit den zuständigen Ermittlungssachbearbeiter*innen bei der Polizei, stellten Kontakte zu Mitarbeiter*innen des Jugendamtes her und unterstützten die Klientinnen bei der Existenzsicherung. In Ausnahmefällen waren kurze persönliche Kontakte, z.B. Unterstützung bei Anträgen, notwendig. Diese fanden jeweils unter strenger Einhaltung der Hygienevorschriften statt.
In dieser Zeit sollte die Unterbringung von Frauen und ihren Kindern in ein Frauenhaus nur eine Option sein, wenn es die Gefährdungslage erfordert und polizeiliche und juristische Schutzmaßnahmen nicht greifen.
Für Frauen mit Trennungsabsichten, die keinen Kontakt zur Polizei aufnehmen wollten oder für die Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz keine Option waren, wurde die Zeit ab März mit allen Einschränkungen (Homeoffice, sozialer Isolation, Homeschooling, eingeschränkte Unterstützungsangebote) zu einer sehr schweren Zeit. Viele Frauen berichteten davon, dass sie nun verstärkt der Kontrolle des Partners ausgeliefert sind. „Für meinen Mann ist Corona der Jackpot!“
Terminfestlegungen für telefonische Beratungstermine waren in diesen Fällen sehr erschwert, da manche Frauen kaum Möglichkeiten hatten uns zu kontaktieren.
Auch die Versorgung der Frauen und Kinder im Frauenhaus wurde deutlich erschwert, da die jeweils gültigen Hygienemaßnahmen strikt eingehalten werden müssen. Anfangs wurden die Frauen überwiegend telefonisch beraten. Dieses Modell erwies sich als nicht praktikabel, da die Klientinnen auf persönliche Kontakte zu den Mitarbeiterinnen angewiesen sind, um sich gut unterstützt zu fühlen. Gerade bei Frauen mit schlechten Deutschkenntnissen ist der direkte Kontakt Voraussetzung für eine gelingende Arbeit. Durch einzuhaltende Hygienestandards wurden die Frauen auch in den Sozialkontakten zu ihren Mitbewohnerinnen stark eingeschränkt, da sie mit ihren Kindern jeweils alleine kochen und essen und sich an festgelegte Benutzungszeiten der Küchen halten müssen.